Ein Schritt. Ein Rascheln. Ein Baumast, der sich bewegt. Zuerst ganz zaghaft, dann immer stärker. Oben in den Baumwipfeln sitzt er, der Orang Utan. Er blickt uns an, durchdringend. Es ist sein Revier, sein Dschungel, sein Lebensraum. Wir sind nur zu Gast.

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Wir, das sind Beni und Lisa aus Deutschland, Thomas aus Holland, unsere Guides Vishnu und Indra, und wir beide, Kathi und Romeo. Wir hätten uns keine schönere Gruppe für dieses Erlebnis vorstellen können. Vishnu gibt uns so viel Zeit, wie wir benötigen. Wir treffen eine andere Gruppe. Ihr Guide scheint es eilig zu haben. Vishnu sagt: „Let them pass. We’re not in a hurry.“ Er kennt den Dschungel, er ist hier aufgewachsen. Er liebt diesen Dschungel. Er sagt es zwar kein einziges Mal, aber in jedem Satz, den er spricht, mit jedem Schritt, den er setzt, merkt man es ihm an. Wir sind nur zu Gast, sagt er. Es ist nicht unser Dschungel, sondern jener der Menschen des Waldes, der Orang Utans.

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Keine 20 Minuten nachdem wir den Gunung Leuser Nationalpark betreten haben, treffen wir das erste Mal in unserem Leben auf einen Orang Utan. Noch können wir den Anblick nicht realisieren. Keine 3 Meter von uns entfernt kauen Mama- und Baby-Orang-Utan genüsslich auf ein paar Bananen herum. Wir sind bei der Fütterungstelle angekommen. Es gibt jeden Tag dasselbe: Bananen und Milch. Man hofft, dass die einseitige Mahlzeit die Orang Utans langweilt und sie sich wieder auf Futtersuche in den Dschungel begeben. Mindestens eine halbe Stunde stehen wir da, sagen kein Wort. Zu magisch ist dieser Moment, dieses erste Aufeinandertreffen.

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Alle anderen haben die Plattform bereits verlassen. Nur unsere Gruppe ist zurück geblieben. „Sit down and enjoy the Orang Utans“, sagt Vishu. Wir grinsen und denken alle dasselbe: wir haben den besten Guide in ganz Bukit Lawang erwischt.

Erst als die Orang Utans sich verabschieden und nicht mehr zu sehen sind, geht unsere Wanderung weiter. Mit jedem Schritt, den wir setzen, fühlen wir uns kleiner in diesem majestätisch anmutenden Lebensraum. Mit jedem Schritt, den wir setzen, werden die Zikaden lauter und wir gelangen tiefer in den Dschungel.

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Bald schon sehen wir erneut eine Orang-Utan-Mama mit ihrem Baby. Es ist noch jünger als das erste. Ganz unsicher, mit kindlicher Neugier, tastet es seine Umgebung ab. Ein anderer Orang Utan thront hoch über uns, im obersten Wipfel des Baumes. Von Zeit zu Zeit fallen kleine Stücke Holz hinab. „He is dropping sticks“. Es ist sein Revier, wir sind hier der Gast. Das ist wohl seine Art zu zeigen, wer hier der Boss ist. Wir fühlen uns ganz klein beim Anblick der mächtigen Tiere.

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Der Dschungel fasziniert uns. Wir sehen Riesenameisen, die zwei Zentimeter oder größer sind. Wir sehen Blätter, so groß, dass man sich bei Regen unterstellen kann. Wir hören laut summende Bienen in Baumstämmen und sehen zum ersten Mal in unserem Leben Termiten. Das hier ist kein gewöhnlicher Wald, nein, es ist purer Dschungel. Dschungel, der sich herrlich unberührt anfühlt, selbst dann, wenn wir auf dem Trampelpfad der TouristInnen laufen. Wir begegnen Gibbons und anderen Affen und erreichen eine kleine Oase mitten im Dschungel. Mit dem Flusswasser waschen wir die Anstrengungen der letzten Stunden ab. Wir können nicht glauben, was dieses Fleckchen Erde alles für uns bereit hält.

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An diesem Tag kreuzen viele weitere Orang Utans in Bukit Lawang unseren Weg: Junge und ältere, ruhige und aufgewecktere. So auch die Orang-Utan-Mama Jacky. Gemeinsam mit Mina ist sie bekannt dafür, TouristInnen festzuhalten, um sie anschließend gegen etwas Obst einzutauschen. Als wir Jackys Revier betreten, merken wir, wie unsere Guides unruhig werden. Wir sollen uns beeilen, sagt Vishnu, er ahnt schon, dass Jacky nicht weit ist.

Wir treffen auf Jacky und ihr Baby. Dutzende Menschen stehen um sie herum. Zu nahe. Andere Guides ermutigen ihre Gruppe, noch näher zu kommen. Vishnu dagegen bittet uns, rasch vorbeizugehen. Wir können die Orang Utans aus sicherer Distanz beobachten, das sei genau so schön, sagt er. Jacky jedoch hat anderes im Kopf. Zielsicher und mit schnellem Schritt geht sie auf Lisa zu. Eine Hand gepackt, dann die zweite. Wir haben eine Orang-Utan-Geisel. Und so sehr sich die Guides und Lisa auch bemühen, Jacky lässt nicht locker. Sie weiß offenbar ganz genau, dass sie auf diese Art an frisches Obst gelangen kann. „Orang Utans are very smart“, hat uns Vishnu heute Morgen gesagt. Jetzt verstehen wir. Minuten vergehen, Jacky kaut genüsslich auf einer Bambusstange herum. Mit der anderen Hand hält sie Lisa fest – nicht so fest, dass es wehtut, aber doch bestimmend. Weitere Minuten vergehen, nichts passiert. Erst gegen das viele Obst aus Indras Rucksacks lässt Jacky Lisa wieder frei.

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Unser Adrenalinspiegel sinkt und zum ersten Mal an diesem Tag macht sich eine gewisse Müdigkeit in unseren Beinen bemerkbar. So eine Dschungeltour, müsst ihr wissen, geht ständig bergauf und bergab, bergauf und bergab. Nichts mit gemütlichem Spaziergang oder so. Mitunter ist das Gelände so steil, sodass wir an den Wurzeln nach oben klettern müssen. Lianen und schmale Bäume erweisen sich als äußerst nützlich, denn an ihnen können wir uns beim Bergab-Wandern gut festhalten.

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We’re almost there“, Vishnu möchte uns Mut machen. Nur noch einmal hinunter. Nur noch. Hah. Zum Glück haben wir nicht vorher gewusst, wie anstrengend dieser letzte Abstieg sein würde. Irgendwie haben wir es dann doch geschafft. Das Flussrauschen wird lauter und lauter. Wer sehen schon die ersten Hütten. Vishnu zeigt uns unser Nachtlager. Er bringt uns zwei Schaufeln: „This is for the toilet.“ Wir lassen uns auf die Isomatten fallen. Wir spüren sofort, wie steinhart der Untergrund ist. Wir werden uns bewusst, dass wir mitten im Dschungel in einem offenen Zelt die Nacht verbringen werden. Wir fünf liegen nebeneinander wie tote Sardinen. Dann müssen wir alle lachen.

In der Dämmerung essen wir direkt am Fluss mit unseren Guides zu Abend. Es gibt Kürbis-Curry und Chicken Rendang, ein bekanntes indonesisches Gericht. Es schmeckt fantastisch. Unser Koch hat es für uns zubereitet, ja unser Koch, er hat das Essen für uns den weiten Weg aus dem Dorf hierher getragen. Wir denken an die lange, beschwerliche Wanderung und fühlen uns schlecht.

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Langsam wird es dunkel, und zwar stockdunkel. Am Himmel sehen wir Glühwürmchen. Bei Kerzenschein versuchen wir die Streichholz-Rätsel, die unsere Guides uns stellen, zu lösen. Vertieft schlürfen wir frischen, scharfen Ingwertee („Jungle Wodka“) und knacken Erdnüsse. „Do you give up?“. Vishnu grinst. Wir scheitern.

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Wir sind todmüde, können kaum die Augen offen halten. Wir tapsen zurück ins Zelt. Die Zikaden singen lauter und lauter. Wir sehen nichts und denken daran, was Vishnu uns vorhin gesagt hat. Klar gibt es hier Tiger, aber sie gehen den Menschen aus dem Weg. „Ich mache heute Nacht kein Auge zu.“ „Ich auch nicht.“ Irgendwann schlafen wir ein.

Am nächsten Morgen versammeln wir uns am Flussufer. Wir trinken Tee, essen Kekse und warme Sandwiches. Flussaufwärts bahnen wir uns den Weg zu einem Wasserfall. Unsere müden Beine fühlen sich schwer an. Sie streiken ein bisschen, aber irgendwie schaffen sie es dann doch, die rutschigen Felsen zu bezwingen. Wir springen in die winzige, erfrischende Grotte und duschen uns unter dem Wasserfall. So fühlt sich Lebendigkeit an.

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Nach dem Mittagessen (Guter Koch, was hast du alles tragen müssen?) gibt es noch einen grandiosen Obstteller, bald platzen wir aber wirklich! Danach packen wir unsere Siebensachen zusammen, wasserfest versteht sich, denn die Heimreise erfolgt entlang des Flusses. Aus alten Reifen entsteht unser Boot, das Gepäck ist vorne und hinten angebunden. So geht es – mal rasant durch die Stromschnellen, dann wieder ganz gemütlich – den Bohorok entlang. Elegant bahnt sich der Fluss seinen Weg durch den tiefen Dschungel.

Zu der Melodie von Jingle Bells beginnt Vishnu zu singen: „Jungle trek, jungle trek in Bukit Lawang“. Ein anderer Guide stimmt ein: „See the monkeys, see the birds, see Orang Utan.“ Es klingt bizarr und doch so treffend. Wir können einander nicht ansehen, und doch wissen wir: In diesem Augenblick grinsen wir alle.


Die schönsten Momente haben wir gefilmt, sofern wir nicht zu sehr damit beschäftigt waren, sie zu genießen. Entstanden ist dieses Video über die Orang Utans in Bukit Lawang, vollgepackt mit ganz viel Emotionen. Gefällt es euch? Wir freuen uns sehr über eure Kommentare!


PS: Suchst du nach konkreten Tipps zum Trekking? Alles, was du vor deiner Reise nach Bukit Lawang wissen musst, erfährst du in diesem Blogeintrag.